Seiten

Donnerstag, 28. Oktober 2010

Am Mittwoch...

...dachten wir kurz, wir hätten das ganze Projekt überfordert: Nach der sehr, sehr aufwühlenden Probenwoche und dem tollen Premierenerfolg von "Zäune" hatten wir acht Vorstellungen innerhalb eines kurzen Zeitraumes angesetzt. Wir wollten, dass viele Zuschauer die Produktion erleben konnten. Wir wollten aber auch, dass die jungen Darsteller die Chance bekämen, sich als Gruppe zu beweisen. Und das gelingt nur, wenn man auch gemeinsam durch Krisen geht. Die hohen Berggipfel sind schön, aber auch die tiefen Täler haben ihren Sinn.

Und am Mittwoch kam die große Krise. Alle waren müde. Natürlich. Aber einige der Jugendlichen brachten nicht die Kraft auf, sich auf  Theater einzulassen. Sie waren unkonzentriert, hatten nur Dummheiten im Kopf, ließen sich nicht organisieren, hörten noch weniger zu als schon zu guten Zeiten - und zum ersten Mal gab es Murren und Proteste der Gruppen gegeneinander: Die aus xxxx seien sehr nervig. Die aus yyyy würden stören. Die aus zzzz stören noch mehr. Zum ersten Mal in all den Tagen beschloss der Produktionsleiter, ein Aufwärmtraining abzubrechen. Er wollte es der Choreographin nicht zumuten, in einem derart undisziplinierten Chaos zu arbeiten.

Es folgten Einzelgespräche mit den Gruppen. Es folgten hoch emotionale Auseinandersetzungen über Gruppendisziplin, Verantwortung und Zuverlässigkeit. Es folgte ein Einschwören auf das Projekt und die gemeinsame Arbeit mit den Menschen aus den anderen Gruppen.



Und auch diese Krise - es war übrigens nicht die erste - wurde wieder bewältigt. Und wie!! Am Donnerstag gab es zwei sehr gut verkaufte Vorstellungen. Am Vormittag  starteten alle Jugendlichen richtig durch. Und am Abend beschenkten sie sich selbst mit einem unglaublichen Höhenflug. Die gesamte Gruppe geriet in einen Spielrausch. Sie kämpften gemeinsam um ihren Inhalt. Sie tanzten, spielten und sangen gemeinsam in dem Bewusstsein, einen außergewöhnlichen Augenblick in Händen zu halten. Und wenn wir am Mittwoch noch dachten, wir hätten mit der Planung alle überfordert, wendete sich unsere Meinung am Donnerstag abend wieder: Es war gut, uns alle in diesen Marathon einzubinden. Ein Weg mit Krisen ist wichtiger als eine rosarote Kuschelveranstaltung. Es hinterlässt zwar Macken und Kerben, aber es hilft auch ganz enorm. Das, was wir uns immer erhofft hatten, ist wieder passiert: Jugendliche aus unterschiedlichen Nationen, unterschiedlichen Religionen, unterschiedlichen sozialen Herkünften spielen wirklich gemeinsam Theater.

Und heute ist plötzlich - mit einem Knall - die letzte Vorstellung. Um 12.00 Uhr gehen zum letzten Mal die Scheinwerfer an für "Zäune". Nach jahrelangen Vorbereitungen, nach den kurzen Arbeitsphasen mit den Einzelgruppen, nach den ersten gemeinsamen Schritten in der letzten Woche ist in wenigen Stunden Schluss. Aus. Und das ist noch nicht denkbar und noch nicht fassbar!!


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen